Dichter Nebel liegt über dem Grambower Moor. Dennoch finden die beiden Weimaraner Jagdhunde ihren Weg am Waldrand entlang. Sie begleiten früh am Morgen Thomas Scheuse beim Spazieren in der unberührten Mecklenburger Natur. Plötzlich halten beide Hunde abrupt an und fallen in Vorstehe-Position. Scheuse späht durch den Nebel, um zu erkennen, welches Wild die Hunde wittern. Denn noch vor dem Frühstück in eine Rotte Wildsau hineinzulaufen, könnte ungesund werden. Dann hebt sich die Nebeldecke, und Scheuse sieht einen kapitalen Hirsch am Rande des Waldes. Rasch versucht er das Alter zu bestimmen. Als der Wind sich dreht, bekommt der Hirsch Witterung und verschwindet rasch im Unterholz. Als morgens um halb acht in der Jagdschule Gut Grambow der Unterricht beginnt, berichtet Jagdschein-Anwärter Thomas Scheuse von seinem Erlebnis. Aufmerksam lauschen seine beiden Mitschüler, Dr. Gabriele Roselius und Dr. Till Reuter aus Zürich, und Schulungsleiter Dr. Helmut Herbold gibt ihnen kurz Tipps für das richtige Verhalten, Schließlich hat der Leiter der Jagdschule Gut Grambow bei Schwerin über Schalenwild promoviert. Heute steht jedoch ein anderes Thema auf dem Lehrplan: die gesetzlichen Regelungen zum Schutz des Adlers vor dem Einfluss des Menschen. Naturschutz ist eine willkommene Abwechslung, denn die Kursteilnehmer haben schon einige Tage mit Themen wie Brauchtum, Waffenkunde, Wildbiologie oder Lebensmittelrecht hinter sich. Sie haben einen anstrengenden Weg zur Jägerprüfung gewählt. Während die meisten Kandidaten einmal in der Woche zu einem Kurs gehen und nach zwei jahre die staatliche Jägerprüfung ablegen, bietet Gut Grambow Kompaktkurse von drei Wochen Dauer und mit durschnittlich zwölf Teilnehmern an. Wem auch das noch zu viel Zeitaufwand ist, der kann den 14-tägigen Intensivkurs mit maximal vier Teilnehmern buchen, wie es der Düsseldorfer Unternehmensberater Scheuse und seine Mitschüler getan haben. „Unsere Besteherquote liegt bei 98 Prozent“, erklärt Dr. Herbold.Als Thomas Scheusel das vor der Anmeldung erfuhr, formolierte sich:“Ich habe mir bei der für die Prüfung zuständigen Unteren Jagdbehörde erst einmal den Prüfungsaufbau erklären lassen. Nachdem ich wusste, dass bei der staatlichen Prüfung bis zu zwanzig Prüfer und Beisitzer in fünf Fächern eingesetzt werden, war mir klar, dass die Besteherquote kaum mit laschen Prüfungsbedingungen zusammenhängen kann.“ Dem pflichtet sein Züricher Mitschüler, der Unternehmensberater Dr. Till Reuter, bei. „Das didaktische Konzept hat mich überzeugt: Schon vor Beginn des Kurses in der Jagdschule gibt es fundierte Unterlagen und einen Katalog mit rund tausend Prüfungsfragen als MP3-Datei. So konnte ich mich Wochen zuvor, beispielsweise im Flugzeug, vorbereiten.“ Für einen zweijährigen Jagdschein-Kurs mit wöchentlichem Unterricht fehlte einfach die Zeit, obwohl Reuter durch Freunde und Bekannte schon früh mit der Jagd Kontakt hatte. Er berät Unternehmen bei Übernahmen und Verkäufen, zuletzt war er verantwortlich für das Europageschäft im Bereich Transport, Logistik und Infrastruktur einer US-amerikanischen Investmentbank. Thomas Scheuses Firma berät Kommunen und Immobilienunternehmen in Energiefragen und entwickelt grüne Zukunftsstrategien. „Das Verstehen und Pflegen der Natur ist es, was mich aus dem Büro in den Wald zieht.“ DrGabriele Roselius kümmert sich als Vermögensberaterin um Family Offices. Noch vor dem Mittagessen geht es zum Schießstand. Thomas Scheuse legt an. Die Pappenscheibe mit dem laufenden Keiler darauf bewegt sich schnell über eine kleine Schneise in 50Metern Entfernung. Ein dumfer Knall – Scheuse hat getroffen. Der nächste Schuss sitzt noch besser und dann geht ein Schuss nach dem anderen ins Schwarze. Wäre der Keiler nicht aus Pappe, hätte der Düsseldorfer ein üppiges Festmahl erlegt. Am benachbarten Schießstand zielt Dr. Gabriele Roselius auf Rehbockattrappen, und daneben setzt Dr. Till Reuter die Schrotflinte ab. Von den letzten zehn Kipphasen hat er acht getroffen. Helmut Herbold hat sich überzeugt, dass alle Prüflinge gut vorbereitet sind, denn morgen ist die Schießprüfung. Wer nach 120Stunden Unterricht hier zu wenig trifft oder gar die Waffe falsch handhabt, wird zur Jägerprüfung erst gar nicht zugelassen. „Wissen um die Zusammenhänge der Natur ermöglicht es dem Jäger, zur Hege des Wildes ein Gleichgewicht der Natur in seinem Revier zu erhalten,“ erklärt Helmut Herbold diese strikte Regelung. „Die Hege mit der Büchse ist wichtig zur Herstellung dieses Gleichgewichts. Jäger legen Wert darauf, dem Wild Stress zu ersparen. Viele veranstalten nur eine oder zwei Gesellschaftsjagden im Jahr. Ansonsten lassen sie dem Wild seine Ruhe. Aber dann ist es wichtig, dass das Wild sauber grtroffen wird, um ihm unnötige Qualen zu ersparen.“ Vorbei an der Pferdekoppel und den Kuhställen des Gutes Grambow gehen die Jagdschüler zum Mittagessen. Hier werden die Schießergebnisse diskutiert. Doch schon nach kurzer Zeit geht es im Unterrichtsraum weiter mit dem Büffeln. „Die Situation ist anders als die intensive Arbeit beim Kunden“, erzählt Thomas Scheuse, als er um 17 Uhr den Unterrichtsraum verlässt. Damit ist noch nicht Feierabend. Thomas Scheuse geht in den Präparateraum. Hier sitzt bereits Dr. Gabriele Roselius und Dr. Till Reuter, die im Selbststudium die Eigenarten und Lebensbedingungen der über 100 ausgestellten Tiere lernen. Als Scheuse um 22 Uhr noch eine Runde mit seinen Hunden geht, vertieft er sein eben erworbenes Wissen über die 15 heimischen Entenarten mit dem Trainingsprogramm auf dem MP3-Player. Und obschon am nächsten Morgen um sieben Uhr die Schießübung beginnt, nimmt er sich die Zeit, eine Rotte Wildschweine zu beobachten, die im Schutz der Nacht auf die Felder zieht. Nachfrage: Alle drei Jagdschüler haben sowohl Schießprüfung als auch Jägerprüfung sehr gut bestanden und die ersten Jagden erfolgreich absolviert. „Auf dem Hochsitz habe ich Zeit zum Denken“ Menschen-Professor Dr. Hanspeter Gondring, wissenschaftlicher Leiter der Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI) Stutgard-Leipzig, ist Jäger. immobilienmanager sprach mit ihm über den Reiz der Jagd. Wie sind Sie zur Jagd gekommen? Dr. Hanspeter Gondring: Meine Familie kommt aus dem forstwirtschaftlichen Bereich, da war das Interesse für Natur und Jagd von klein auf da. Was fasziniert Sie an der Jagd? Dr. Hanspeter Gondring: In meinem Beruf bin ich den ganzen Tag von Menschen umgeben, von E-Mails, Faxgeräten, Telefonen, Blackberries-wenn ich im Wald bin, habe ich sofort eine „kleine Auszeit“. Oft treffen Menschen Fehlentscheidungen, weil die Zeit fehlt, Dinge zu durchdenken. Wenn ich auf einem Hochsitz sitze, in die Natur schaue und warte, habe ich diese Zeit. Als Wirtschaftswissenschaftler können Sie gewisse ökonomische Aspekte der Jagd erklären. Dr. Hanspeter Gondring: Zuerst ist da einmal die Gesundheitsökonomie. Die eigentliche Jagd macht nur etwa fünf Porzent meiner Tätigkeit im Revier aus.Hochsitze müssen gebaut und unterhalten werden, Wege müssen angelegt werden, in Futternotzeiten muss das Wild gefüttert werden, Hütten und Zäune müssen repariert werden-das ist viel körperliche Arbeit an der frischen Luft. Das bietet mir kein Fitnessstudio und auch kein Golfplatz. Zudem ist ein Jagdrevier eine teure Angelegenheit. Daher ist es auch wichtig Beute zu machen, um den Wildverkauf kostenmindernd einzusetzen. Welche Immobilienmanager sollten einen Jagdschein machen? Dr. Hanspeter Gondring: Diejenigen, die die Liebe zu Natur und Wild spüren. Wenn ich mit einem Geschäftsfreund abends auf dem Ansitz sitze, in einer Jagdhütte übernachte und im Morgennebel auf die Pirsch ziehe, ist das eine sehr intime Form von kontaktpflege. Auf einem Kongress drei Minuten plaudern und Visitenkarten tauschen ist damit nicht verglichbar. Die Netzwerke unter Jägern sind sehr belastbar und fruchtbringend.