„Früher ging mein Vater mit allen wichtigen Kunden golfen, heute gehen alle jagen“, sagt der Spross einer angesehenen österreichischen Unternehmerfamilie, der ungenannt bleiben möchte. In der eingeschworenen Gemeinschaft mit eigener Sprache, traditionellen Ritualen und Kleidung finden sich schnell Gleichgesinnte. Doch vielen alteingesessenen Jägern passt der neue Trend gar nicht.
„Das Image der Jagd hat sich in den vergangenen Jahren enorm verbessert“, sagt Anke Nuy vom Deutschen Jagdschutz-Verband. „Man wird heute nicht mehr als Tiermörder beschimpft, wenn man sagt, man jagt.“ Das mache den Sport auch für neue Zielgruppen interessant: Frauen, Jugendliche oder eben Manager. Dabei ist Sport natürlich in den Augen der Zunft das falsche Wort. „Jagen ist kein Sport, sondern eine Lebenseinstellung“, korrigiert Martin Lösch, Inhaber der Jagdschule Gut Grambow in Mecklenburg, der spezielle Manager-Kurse anbietet.
Seit es wieder angesagt ist, stundenlang durch den Wald zu streifen und sich auf dem Hochsitz in aller Herrgottsfrühe die Finger abzufrieren, braucht sich der Deutsche Jagdschutz-Verband um Nachwuchs keine Sorgen mehr zu machen. Knapp 6500 Neulinge haben im vergangenen Jahr die Jagdprüfung abgelegt – mehr als drei Mal so viele wie im Vorjahr. Unter ihnen zahlreiche Unternehmer, Banker, Anwälte und Politiker. „Sie sehen die Jagd als Ausgleich für die Hektik im Job“, weiß Gutsbesitzer Lösch. Wen das ständige Gerede übers Geschäft beim Putten nervt, findet im Wald seine Ruhe. Die Geselligkeit und die Gelegenheit fürs Kontakteknüpfen beginnt oft erst mit dem gemeinsamen Verspeisen der Beute.
Zudem sei die Jagd auf das Wild sehr männlich, sagt das Mitglied der österreichischen Unternehmerfamilie. „So wie andere dem Ruhm, Geld oder Frauen nachjagen.“ Hinzu komme die Beute. „Männer geraten in Hochstimmung, wenn sie etwas erlegt haben. Natürlich gehöre das Beutemachen dazu, räumt Anke Nuy ein. „Was für den einen das Ebay-Schnäppchen, ist für den Jäger die Beute.“ Manchem reiche es aber auch, ein besonders schönes Tier zu sehen. Nicht umsonst wünschten sich Jäger neben dem „Weidmanns Heil“ auch gerne einen „Guten Anblick“.
„Jäger teilen intensive Erlebnisse, das ist gesellig und schweißt zusammen“, sagt Gutsbesitzer Lösch. Er betreibt nur eine von vielen Jagdschulen, die inzwischen spezielle Manager-Jagd-Kurse anbieten. Dass sich viele Führungskräfte vorher nicht monatelang mehrmals die Woche durch die Theorie quälen wollen, bevor sie zur Jagdprüfung antreten, darauf ist Lösch eingerichtet. Für einen zweiwöchigen Schnellkurs müssen die Manager bei ihm rund 6000 Euro abdrücken. Über mangelnden Zulauf kann er sich nicht beschweren.
Eine Entwicklung, die vielen passionierten Jägern gar nicht passt. Die Karrieristen, die nur aus Prestige auf dem Hochsitz hocken und jagen wollten, „auf die kann ich verzichten“, schimpft Waldemar Kalchgruber, Chef des Jagdverbandes im bayerischen Donauwörth. „Die haben doch kein Gefühl für die Kreatur und die Natur.“ Natürlich habe die Jagd etwas Elitäres, gibt Nuy zu. Doch wer nicht die nötige Einstellung und Zeit mitbringt, scheitert schon an der Jagdprüfung, die nicht umsonst das „Grüne Abitur“ genannt wird, warnt sie vor falschen Vorstellungen eines reinen Karriere-Klubs.
Der Hochsitz ist doch kein Ort für Geschäfte, sagt Kalchgruber. Wer nur deswegen kommt, hat bei ihm schlechte Karten. Auch für solche, die nur mit einem schönen Waffenschrank zu Hause prahlen wollen, hat der ehemalige Unternehmer wenig Verständnis. „Die sollen auf den Golfplatz gehen.“
AFP