Der kleine Ort Grambow nahe der schönen mecklenburgisch-vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin (Urlaubs-Tip!) hat einige Besonderheiten zu bieten. Im Grambower Moorkrug mitten im Ort kann man sich beispielsweise an einem preiswerten Rahmschnitzel mit Bratkartoffeln laben – alles sehr wohlschmeckend und reichlich. Den Appetit sollte man sich zuvor auf einer kleinen Wanderung rund um das Grambower Moor holen. An einem ausgeschilderten Moorpfad entlang werden Natur und Geschichte erklärt.
Das Gut Grambow
Wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind kam Gutsbesitzer Hans Martin Lösch zum Gut Grambow. Eigentlich hatte er sich einen anderen landwirtschaftlichen Betrieb ausgeguckt und als er schon in feinem Zwirn und mit gezücktem Federhalter beim Anwalt saß, wurde ihm kurzerhand mitgeteilt, dass durch ein Versehen dieser Betrieb nun doch nicht mehr zu haben sei. Alternativ bot man ihm Gut Grambow an. Hier war Hans Martin Lösch zunächst allerdings recht skeptisch, denn bislang hatte sich noch niemand für diesen Betrieb interessiert. Trotzdem übernahm er ihn und machte in relativ kurzer Zeit einen florierenden Betrieb daraus. Die über 2.000 ha Acker-, Weide- und Forstflächen und die 350 Milchkühe im Boxenlaufstall mit Weidegang schienen ihn aber immer noch nicht ganz auszulasten. Daher machte er sein Hobby zu einem weiteren Standbein und gründete eine mittlerweile international anerkannte Jagdschule, an der Jagdinteressierte in Intensivkursen das Waidwerk erlernen können. Daneben gibt es auf Gut Grambow Ferienwohnungen, das Jagdmuseum, einen Hofladen mit Wildprodukten sowie einen Jagdshop. Heute beschäftigt das Gut Grambow 17,5 Arbeitskräfte, davon 4,5 in der Milchproduktion.
Milchbetrieb ausgegliedert
Um Jörgen Schoorlemmer, den seit 1998 erfolgreich agierenden Leiter der Milchproduktion, dauerhaft in den Betrieb einzubinden und ihm ein nachhaltig höheres Einkommen zu sichern und somit das personelle Risiko zu minimieren (für Hans Martin Lösch der wichtigste Faktor in der Milchproduktion auf Lohnbetrieben), wurde ab Juli 2004 der Weg der »eisernen Verpachtung « gewählt. Bei diesem Betriebsmodell ist es Jörgen Schoorlemmer möglich, als selbstständiger Unternehmer mit geringer Kapitalbindung zu wirtschaften. Ställe, Milchvieh, Milchquoten etc. bleiben im Eigentum des Gutes und befinden sich während der Pachtzeit im Besitz des Betriebes »Grambower Milch«. Für das Gut Grambow besteht der Vorteil darin, dass zukünftige Wachstumsentscheidungen der Milchproduktion mit den Liquiditätsströmen des Gesamtbetriebes verbunden sind; d.h. jeder Betriebszweig kann unabhängig voneinander wachsen. Das Investitionsrisiko verbleibt bei dem Entscheidungsträger des jeweiligen Produktionszweiges.
Mit Zahlen zum Erfolg
Durch zwei generelle Vorgehensweisen konnte Schoorlemmer die Situation des Milchviehbetriebes deutlich verbessern. Die Grundlage aller seiner Entscheidungen sind weder persönliche Meinungen noch aktuelle Trends oder gar werbliche »Einflüsterungen« aus der Industrie, sondern ausschließlich permanente betriebswirtschaftliche Auswertungen oder, wie er es formuliert: »Die Zahlen geben uns schnell und einfach Auskunft darüber, ob wir richtig liegen«. Da diese Zahlen allen Mitarbeitern zugänglich sind, wissen sie am Monatsende übrigens auch, was ihr Chef verdient hat.
Die magische 5%-Klausel
»Alles was über 5% geht (z.B. Nachgeburtsverhaltungen, Abgänge wegen Unfruchtbarkeit), stellt ein Problem dar. Dann wird sofort Alarm gegeben und es wird nicht gewartet, bis der Spezialist vielleicht in ein paar Wochen routinemäßig vorbeikommt.« Es ist ihm völlig unverständlich, dass es Betriebe gibt, bei denen die Kälbersterblichkeit 50% und mehr erreicht, bevor Gegenmaßnahmen ergriffen werden. In Grambow beträgt die Kälbersterblichkeit 6,9%, wobei 95% davon Totgeburten oder Todesfälle während der Geburt sind. Die Kälberverluste insgesamt, d.h. einschließlich der Einschläferung aufgrund von Missbildungen oder unheilbarer Erkrankungen, sollte unter 10% liegen, »mein Traum sind 7,5%«. Schoorlemmer weiß auch von erheblichen Schwankungen in der Tiergesundheit zu berichten. »Manchmal passiert drei Monate lang überhaupt nichts und dann haut es im nächsten Monat wieder so richtig rein.«
Große Eigenverantwortlichkeit
Eine weitere Spezialität des Grambower Milchviehbetriebes ist die große Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter. Der Chef gibt – natürlich immer anhand der vorliegenden Zahlen – die groben Richtlinien vor und jeder ist gehalten seinen Bereich selbst optimal zu gestalten. Dieses funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen und keiner sich nur auf den anderen verlässt. Mitarbeiter, die nicht bereit oder in der Lage sind ihren Platz in diesem System zu suchen und zu finden, haben keine Chance: »Hier steht nämlich niemand hinter ihnen, der sagt, was heute wie zu machen ist. Wie ein Mitarbeiter ein Problem löst, das ist mir im Prinzip egal; jeder soll seine Kreativität mit einbringen. Und so wächst jeder mit seinen Aufgaben. Wichtig ist letztendlich nur, dass es einfach rund läuft. Unser Betrieb steht und fällt mit seinen Mitarbeitern.«
Fütterung vom Experten
Eine besondere Rolle spielt für Jörgen Schoorlemmer die Fütterungsberatung. Zwei- bis dreimal jährlich besucht der international anerkannte niederländische Fütterungsspezialist Dr. Dirk Zaaijer den Betrieb. Er geht zunächst für eine Stunde allein in den Stall und sieht sich die Kühe an, anschließend erzählt er dem Betriebsleiter, was er füttert – und das stimmt fast immer. Auf sein Anraten ist der Betrieb von der Hochleistung heruntergegangen und hat sich bei 8.500kg abgelieferte Milchmenge eingependelt(»wir werden nie zu den Top-100-Betrieben gehören«).
Keine Spitzenleistungen angestrebt Der Verzicht auf Leistung beschert dem Inhaber aber eine leichfuttrige Herde, die auch einmal Qualitätsunterschiede im Futter oder kurzfristige Personalprobleme z.B. durch Krankheit verkraftet. »Bei einer Ration, die auf des Messers Schneide steht, können diese Dinge schon einmal zum ›Umkippen‹ der Herde führen.« Von der übertriebenen Maisfütterung hält Schoorlemmer nicht viel: »Mais ist ein schönes Ergänzungsfutter, aber die Kuh will Gras haben. Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Kuh als Wiederkäuer sehen oder als Schwein.« Die Fütterung wird mit einem Computerprogramm kontrolliert, die Feinabstimmung findet an der Kuh im Stall statt.
»Ich kenne Betriebe, die haben 22 Komponenten in ihrer Futtermischung, Wenn wir diese Zusatzstoffe alle füttern würden, dann müsste bei uns (bei gleich bleibenden Kosten) jede Kuh 2.000 kg mehr Milch geben – und das alles, ohne dass wir besser dastehen würden.«
Betriebsvergleiche haben gezeigt, dass bei steigenden Leistungen die Tierarztkosten überproportional steigen, während die Besamungsraten »in den Keller gehen«. Im Grambower Betrieb liegt die Repro-Rate im 5-jährigen Schnitt bei 22,5%.
»Wir kommen mit dem derzeitigen Milchpreis gut klar und wir kommen mit der Leistung gut klar.« Aufgegeben wurden die Bestrebungen nach hohen Milchinhaltsstoffen in der Anlieferungsmilch (4,5% Fett, Eiweiß 3,9%), da die Prozente nicht entsprechend bezahlt wurden. Der Tiergesundheit ist dieses allerdings gut bekommen.
Um von den hohen Kosten der Hobelspäne wegzukommen, werden derzeit Versuche mit gehäckseltem Stroh gefahren. Zum Zeitpunkt des Betriebsbesuchs war es noch zu lang und führte durch Herauskratzen zu verstärkter Verschmutzung des Stallganges. Dieser Zustand war interessanterweise aber der Klauengesundheit zuträglich, denn es traten weniger Druckstellen auf. Eine Verbesserung verspricht man sich von einer Strohlänge um 2 cm. Die Eckenbügel wurden entfernt, so dass die Kühe die Liegeboxen auch noch vorne durch die gegenüberliegende Box verlassen können. Der Verschmutzungsgrad hat dadurch etwas zugenommen, aber die Kühe können sich nicht mehr festliegen.
Die Nachzucht
Trockensteher werden das ganze Jahr über zugefüttert, vor allem um die Mineralien zu ergänzen (»Lecksteine sind zu teuer«). Wenn die Kühe im geräumigen Abkalbestall gekalbt haben, bleibt das Kalb bis zur nächsten Melkzeit bei der Mutter, bevor es in die Einzelboxen an der frischen Luft (»Sommer wie Winter, Temperaturen spielen keine Rolle«) verbracht wird. Die Kuhkälber kommen nach 14 Tagen wieder zurück in den Stall in eine Gruppenhaltung (»und dann gehen eigentlich auch erst die Krankheiten los«).
In den ersten 4 bis 5 Wochen gibt es einen Nullaustauscher, später aus Kostengründen einen Milchaustauscher auf Soja-Konzentrat-Basis. Nach einer Woche wird Wasser zur freien Aufnahme angeboten. Kälbermüsli, Kälberkorn oder ähnliche Produkte gibt es aus Kostengründen ebenfalls nicht. Tränkeautomaten wurden wieder abgeschafft, da sie sehr störanfällig sind und bei der Fütterung aus dem Trog sofort gesehen werden kann, wenn ein Kalb nicht trinkt oder sich sofort wieder hinlegt. Kälber erhalten niemals Rest-Rationen, sondern immer frisches Futter, denn: »An den Kälbern hängt die Zukunft des Betriebes. Was man hier versäumt, kann man später nicht wieder gutmachen.«
Die Reinigung der Kälberställe erfolgt nur mit dem Hochdruckreiniger, chemische Mittel werden nicht eingesetzt. Schoorlemmer möchte einen »gewissen Mindestkeimdruck« erhalten, um das Immunsystem der Kälber zu fordern.
Ab dem 10. Monat kommen die Jungtiere in eine Außenhaltung ohne Stall, was einigen Ärger mit Tierschützern und Veterinärbehörden einbrachte. Aber: »Bei dieser Haltung haben wir noch nie ein Tier verloren und außer der Parasitenbehandlung im Herbst werden keine Medikamente benötigt. Die Tiere kommen vollkommen gesund in den Bestand zurück.«
»Die Kuh ist ein Grasfresser und von Natur aus fruchtbar«
Jörgen Schoorlemmer
1965 in Raalte/NL geboren, absolvierte er eine Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister. Nach einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Neuseeland und Australien bewirtschaftete er 7 Jahre lang mit seinem Vater den elterlichen Betrieb mit 120 Milchkühen im Raum Wilhelmshaven. Ab 1995 siedelte er nach Mecklenburg-Vorpommern über und arbeitete für das britische Agrarunternehmen Velcourt in einer Milchviehanlage mit 500 Kühen, bevor er 1998 in die Grambower Milchviehanlage einstieg. Er hat zwei Kinder und lebt in einer Partnerschaft. Seine Hobbies sind Tanzen, Schwimmen und Inline-Skating.
Fazit
Am Beispiel des Grambower Milchviehbetriebes zeigt sich eindrucksvoll, wie ein Betrieb auch in schwierigen Zeiten erfolgreich geführt werden kann. Das »knallharte« – ausschließlich betriebswirtschaftlich orientierte – Management und die überzeugende Einbindung der eigenverantwortlichen Mitarbeiter in den Produktionsprozess können beispielgebend sein für viele andere Unternehmen und nicht zuletzt auch für viele Tierarztpraxen.